Brief anlässlich der Abschiedsfeier unseres geliebten Nakamachi Sensei am 13.03.2016 in Kobe/Osaka von seinen deutschen Schülern Christiane und Nobi
Lieber Sensei, liebe Familie, liebe Freunde und Gäste
Wir lieben das Meer. Wir lieben Japan. So haben wir uns kennen gelernt. Obwohl unsere japanische Wohnung sehr klein war, konnte man von ihr aus das Meer sehen. Deshalb haben wir uns für diese Wohnung entschieden. In der Nähe arbeitete Yuichi. In dem Fotogeschäft sprach er uns auf Deutsch an: Seid ihr Deutsche? Das war der erste Kontakt. Schon beim nächsten Treffen stellten wir sehr schnell fest, dass wir alle am Budo interessiert sind. Und so war es ein kleiner Schritt in das Shinbukan Dojo von Nakamachi Masami. Auf dem Weg zum ersten Training sagte Yuichi: Wir sollten uns nicht wundern, Sensei würde manchmal im Dojo singen. Wir waren wirklich sehr gespannt und wunderten uns auch ein wenig. Da hatten wir noch keine Ahnung vom wunderschönen Kenshibudo unseres späteren Lehrers.
Die freundliche Aufnahme
Wir waren begeistert über die freundliche und sehr familiäre Aufnahme im Dojo. Wir wurden von allen Seiten unglaublich unterstützt und hatten mit einem Mal viele Trainer, die sich um unsere anfänglichen bescheidenen Möglichkeiten kümmerten. Auch in der langen Zeit danach waren alle Mitglieder immer sehr freundlich zu uns und wir hoffen, dass wir sie nicht enttäuscht haben. Sensei half uns bei der Einkleidung und der ersten Ausrüstung selbstlos mit aus. Ich erinnere mich an seine Verzweifelung mir passende Tabi zu besorgen. Er ließ sogar extra welche von einem Dojo-Mitglied für mich nähen. Die sind dann allerdings etwas zu groß geraten. Bei der Anprobe platschten sie bei jedem Schritt auf den Boden. Als mir Sensei dann den Namen Gozilla gab, hat sich das Dojo vor Lachen nicht mehr beruhigen können. So wurde das Dojo schnell unsere neue Heimat, in der wir uns sehr wohl fühlten.
Die Verständigung beim Training
Unsere Kenntnisse der japanischen Sprache sind sehr begrenzt und deshalb grenzt es schon an ein Wunder, dass wir soviel lernen konnten.
In der ersten Zeit wäre es ohne die unendliche Geduld von Sensei und Yuichi gar nicht möglich gewesen. Wir sind uns sicher beide manchmal an den Rand der Verzweifelung gebracht zu haben. Armer Yuichi, wenn er das gewusst hätte, was da auf ihn zukommt. Aber das Training trug schnell Früchte und so konnten wir aus dem unerschöpflichen Ideenreichtum von Sensei so viel Neues lernen, das uns nach so vielen Jahren immer noch so wunderbar beschäftigt. Vielen Dank lieber Yuichi, dass du daran so unermüdlich mitgearbeitet hast. Auf eine lange Freundschaft.
Sein Unterricht
Geprägt war sein Unterricht dadurch, dass nie eine Trainingseinheit der anderen glich. Wir wurden so zu einer sehr großen Flexibilität angehalten.
Er war sehr streng, hatte keine Probleme sich über uns zu ärgern und uns das auch spüren zu lassen. Aber er war immer der japanische Vater für uns. Und wie ein Vater kümmerte er sich um uns. Christiane bezeichnete er gern als seine deutsche Tochter. Wir waren immer sehr verlegen aber auch stolz, wenn er so etwas sagte. So zeigten wir uns immer wieder durch Geschenke und regelmäßiges Training, wie weit die gegenseitige Hochachtung reichte. Wir werden nie Szenen vergessen wie das Hochhalten eines Fächers direkt vor seinem Gesicht und sein verzweifelter, aber auch gleichzeitig belustigter Blick durch die Stäbe in unsere Richtung. So wussten wir: Alles war merkwürdig, was wir machten, aber er hatte Verständnis dafür und freute sich, dass wir da waren. Und wenn wir mal nicht einer Meinung waren, kochte seine geliebte Frau Noriko san ein leckeres Essen, dass wir dann zusammen im Dojo aßen.
Die Stimmung im Dojo war immer sehr harmonisch und es kam vor, dass auch mal gar nicht trainiert wurde, sondern es wurden Gespräche geführt oder auch mal Videos angeschaut, mit denen er unser Gespür für alles Weitere entwickeln wollte.
Bestimmt kann man seinen Unterricht so zusammen fassen:
Strenger Blick mit lachenden Augen und weichen Händen.
Die Prüfungen
Die Prüfungen waren immer eine besondere Angelegenheit. Kurz vorher bekamen wir die nebenbei fallen gelassene Nachricht, dass wir beim nächsten Training eine Prüfung ablegen sollten. Wir nahmen an, dass dies aufgrund seiner Beobachtungen statt fand. Was uns vorher nicht mitgeteilt wurde: Die Prüfungen fanden alle immer mit einem Shinken statt. Wir hatten in unserem Leben noch nie ein scharfes Schwert in der Hand gehalten! Und nun, ohne Vorbereitung, eine Prüfung damit ablegen.
Wir sind uns sicher, noch nie bei einer Prüfung so geschwitzt zu haben.
Und er hatte soviel Freude dabei uns schwitzen zu sehen, dass er an diesem Prinzip bei allen weiteren Prüfungen festhielt. Und fast schon unglaublich: Wir sind ohne Verletzungen aus all unseren Prüfungen hervorgegangen. Vielen herzlichen Dank, Sensei, für diese vielen unvergesslichen Eindrücke. Und eine Sache, die ich auch in Deutschland übernommen habe ist: Die feierliche Übergabe der Urkunden. Egal wie viel Leute anwesend waren, Sensei sah dann immer blendend gut aus, hatte sich schöne Sachen angezogen und freute sich mit uns, während er uns die Urkunden überreichte.
Gemeinsames Essen
Das gemeinsame Essen und Trinken außerhalb vom Dojo waren ebenfalls sehr schöne und unvergessliche Momente für uns. Egal, ob wir mit Sensei allein unterwegs waren, oder mit einer größeren Dojo Gruppe etwas zusammen feierten, wir fühlten uns immer sehr wohl und gut aufgehoben in der Mitte der Dojo Mitglieder. Vielen herzlichen Dank an alle. Wir werden diese Momente immer im Gedächtnis behalten. Dazu gehörte natürlich auch das von Sensei so geliebte Bowling. Wir spielten das nie zu Hause, aber hier in Japan war es wie bei allen anderen Unternehmungen mit Sensei und seinen Freunden und Dojo Mitgliedern: Alles floss zusammen zu einer großartigen familiären Stimmung. Sensei war immer so bescheiden und hat sich nie in den Vordergrund gedrückt. Wir liebten seine Art wie er im Dojo und außerhalb des Dojo mit anderen Menschen umging. Ein wirkliches Vorbild. Und es entsprach unserem Geschmack und Vorstellungen. Es war wirklich sehr schön, das wir zusammen gefunden haben.
Seine Familie
Durch gemeinsame Unternehmungen lernen wir später auch seine Familie etwas besser kennen. Und wieder typisch Sensei: Ohne etwas zu sagen wählte er eine Telefonnummer, gab uns das Telefon und sagte nebenbei, dass seine Tochter Yuka san dran ist und sie englisch kann. Erstaunen und Freude wechselten sich ab und so gab es Verabredungen zum Bowling und private Treffen. Einmal mehr hatten wir das Gefühl von freundlicher und herzlicher Aufnahme. Sensei zeigte uns später Video Aufnahmen von einer Frau, die wunderschönes Kenshibudo aufführte. Und wieder so nebenbei stellten wir fest, dass es Yuka san war. Auch seine liebe Frau Noriko san ließ es sich nicht nehmen zusammen mit uns und Sensei unsere Begrüßungen, wenn wir wieder nach langer Zeit der Abwesenheit aus Deutschland kamen, in einem einfachen Restaurant zu feiern. Es war sehr schön und so wurden wir gleich wieder in unserer japanischen Familie freundlich aufgenommen. Leider gab es wenig Gelegenheit Shoko san kennen zu lernen, aber wir hatten immer wieder die Gelegenheit ihr einzigartiges, wunderschönes Kenshibudo zu bewundern. Einen bestimmten Anblick hatte sein Dojo auf seine Familie bezogen: Überall, in jedem Winkel und auf jeder Treppenstufe findet man in seinem Dojo Kinderspielzeug. Liebevoll hingelegt und befestigt. Eine wirklich ungewöhnliche aber zugleich sehr warme und herzliche Atmosphäre geht von dieser Geste aus.
Die Veranstaltungen
Auch bei seinen Veranstaltungen wurden wir in das kalte Wasser geworfen und haben viel für unser Leben gelernt. Wir hatten in unserem Leben noch nie Kenshibudo gemacht oder davon gehört. Und nun hat er uns einfach, nachdem wir die ersten Grundlagen erlernt hatten, in diesen kalten Pool geworfen. Nur war uns mal wieder überhaupt nicht kalt zumute. Wir waren sehr aufgeregt. Da waren die Musiker und Sänger, die wir noch nie gesehen hatten. Immerhin hatten wir manchmal die Gelegenheit Guten Tag zu sagen. Aber kaum die Gelegenheit den Rhythmus in den ungewohnten Umgebungen kennen zu lernen. Wir sollten einfach das machen, was wir bei ihm gelernt hatten.
Ok, das war eine einfache direkte Einweisung. Oh mein Gott, waren wir nervös. Aber dann stand er einfach da und schaute uns zu. Wir glauben Sensei hat jede Bewegung von uns mit durchlitten. Und man wird es nicht glauben: Durch einfachen Blickkontakt und kleine Gesten hat er uns bei diesen ersten Aufführungen geholfen. Sehr souverän. Das hat uns immer wieder sehr viel Sicherheit gegeben. Und weil es so gut lief, mussten wir immer wieder mit auftreten. Und eine Karate-Vorführung könnte auch passen hat er sich so gedacht. Und schon standen wir im Dojo und folgten seinen Anweisungen die Karate-Kata auf Kenshibudo-Art darzustellen.
Und es funktionierte. Unglaublich.
Sein Iaido und sein Kenshibudo
Die Bewegungen von Sensei haben uns immer wieder begeistert.
Sie waren so unglaublich anmutig. Sein sehr starker großer Kampfgeist
wirkte gleichzeitig sehr beruhigend und es war immer sehr schön anzusehen. Er ließ auch nicht locker uns andere Stilrichtungen zu zeigen und wir folgten ihm von Osaka bis Kyoto in die unterschiedlichsten Dojo, Organisationen und Veranstaltungen. Wir sind sehr dankbar, dass er soviel Zeit und Energie in unsere gemeinsamen Unternehmungen investiert hat. Wir haben so viel bei ihm gelernt.
Im Kyudojo
Sehr erfreut waren wir, dass Sensei später selbst auch mit Kyudo angefangen hat. Und auch in sein Kyudojo hat er uns mitgenommen und wir konnten sehen, wie viel Freude er an diesen neuen Bewegungen gefunden hat. Und auch in diesem Dojo herrschte eine unglaubliche zuvorkommende und höfliche Stimmung vor. Und einer seiner Kyudo Lehrer, Isahara san, wurde sein Freund und kam in sein eigenes Shinbukan Dojo um Kenshibudo und Iaido zu erlernen. Sehr schön anzusehen.
Sein Deutschland Besuch
Sensei hat zum ersten Mal Japan verlassen um uns in Deutschland zu besuchen. Das war eine unglaublich anstrengende Reise für ihn und wieder hat es die Unterstützung von Yuichi gegeben, sonst wäre dies nicht möglich gewesen. Wir besuchten viele verschiedene Orte, kulturelle und Dojo. In den Dojo unterrichtete er hingebungsvoll und erfreute die deutschen Schüler und ihre Gäste mit einer wundervollen Vorführung im Iaido und Kenshibudo. Diese Reise war nur möglich, da wir so viel Vertrauen zueinander hatten und wussten, dass alle ihr Bestes geben werden, damit diese Reise ein Erfolg wird. Seine deutschen Schüler erzählen gern über seine unkomplizierte Art mit allem Neuen umzugehen.
Wir haben 3 Monate nach seinem Tod alle Trainingseinheiten Sensei gewidmet. Es lagen viele Fotos öffentlich aus und wir erzählten all unsere Geschichten, die wir mit ihm erlebt hatten.
Auch die deutschen Schüler sind sehr glücklich Nakamachi Sensei kennen gelernt zu haben.
In seinen deutschen Dojo hängt nun an der Shomen Seite ein Bild von ihm. Wir sind sicher, dass es ihm gefallen wird, dass so sein Wissen weiter fortbestehen wird.
Nach dem Training
Nach dem Training gingen wir sehr gern an das Meer in der Nähe vom Shinbukan Dojo. Dort fühlten wir uns nach dem oft sehr langen Training sehr wohl und konnten einfach auf das Meer sehen und das gerade Gelernte noch einmal im Geiste passieren lassen. Und oft aßen wir dabei Sachen, die uns Sensei mitgegeben hatte. Harte aber schöne Zeiten dank Nakamachi Sensei.
Vielen Dank Sensei für alles, was wir mit dir erleben durften. Vielen Dank an seine Familie und Frau, dass sie auf Sensei gewartet hat, wenn er mit uns unterwegs war. Vielen Dank an Yuichi, ohne den alles nicht möglich gewesen wäre. Und vielen Dank an alle wunderbaren Dojo Mitglieder des Shibunkan Dojo in Kobe. Wir hoffen, dass das Dojo bestehen bleibt und wir dort noch viele schönen Stunden im Andenken an Nakamachi Sensei verbringen können.
Seine Empfehlung an uns: Schlichtheit und Stärke – Shitsu jitsu gouken
Ein Gebet
Wo immer sich Nakamachi Sensei aufhält, möge er glücklich sein.
Möge er frei sein von Leiden.
Möge er frei sein von Anfeindungen.
Möge er frei sein von schmerzvollen Erfahrungen.
Möge er frei sein von Ärgernis des Körpers und des Geistes.
Möge er in der Lage sein, sein eigenes Glück zu beschützen.
Nobi und Christiane Dettum am 10.März 2016