Wenn mir jemand zu Beginn meines Karatelebens erzählt hätte, dass ich es mal bis zum 4ten DAN schaffen würde, ich hätte denjenigen für übergeschnappt oder gar verrückt erklärt. Begleitete ich doch damals in Berlin meinen Freund Eric ins Budokan Dojo, weil er unbedingt Karate lernen wollte und mich mitnahm, damit er wenigstens einen Teilnehmer der neuen Anfängergruppe kannte. Wie es das Schicksal wohl vorgab betreibe ich unsere Kunst heute noch, während Eric nach seiner Grüngurtprüfung aufhörte. Unserem damaligen Lehrer Paul Knuth (damals 2ter DAN Wado Ryu) bin ich dankbar, dass er die Liebe und Hingabe zum Karate in mein Herz pflanzte, eine Liebe, die immer noch andauert.
Aus beruflichen Gründen zog ich von Berlin nach Braunschweig und bin über ein Paar Umwege bei Shihan Norbert (Nobi) Förster (6 DAN) im Zentral Dojo gelandet. Ich werde nie vergessen, wie ich die ersten zwei Trainingstage bei Ihm erlebte. Als erfolgreicher Wettkämpfer trat ich mit jugendlichem Stolz beim Mittwochstraining an und war davon überzeugt, dass „die“ ja froh sein konnten, dass ich als 4ter Kyu Wado Ryu bei Ihnen anfange. Wie war ich überrascht, als ich feststellte, dass ich keinem von Nobis Schülern das Wasser reichen konnte. Sie bewegten sich so schnell und geschmeidig und Ihre Techniken waren so hart, dass ich große Not hatte sie zu blocken. Meine eigenen Angriffe hingegen, schienen für sie überhaupt kein Problem zu sein. Als ich dann beim Partnerwechsel im Kihon Ippon Kumite an Nobi selbst geriet, wurde mir noch viel stärker bewusst, dass ich eigentlich so gut wie gar nichts wusste und noch weniger konnte. Seine Techniken waren so gut, dass ich mir wie ein Kaninchen vorkam, dass in der Ecke sitzt und hofft, dass der Tiger, der vor ihm steht nicht hungrig sein möge. Am Ende des Trainings kam er zu mir und brummte vor sich hin, dass ich noch einmal zum Training kommen könnte, wenn ich Lust dazu hätte. Die Seifenblase des „Die können froh sein, wenn ich anfange“ war zerplatzt und es trat an dessen Stelle die Angst, überhaupt bleiben zu dürfen. Beim zweiten Training bin ich dann von allen DAN – Trägern beim Freikampf richtig durchgewalkt worden, so dass mir alle Knochen und Muskeln weh taten und ich nach dem Training völlig erschöpft in der Ecke saß. Wieder kam Nobi bei mir vorbei und meinte kurz, dass meine Anlagen gar nicht so schlecht wären und ich bleiben könnte, wenn ich es mochte (und mich traute). Eines hatte ich von da an gelernt: Glaube nie, dass du schon viel kannst, bewahre den …Anfängergeist…!
Von nun an war ich voller Wissbegierde und Tatendrang. Die beruflichen und familiären Umstände ließen es zwar nicht immer zu, doch ich trainierte von nun an so viel wie möglich, besuchte zahlreiche Lehrgänge und hatte das Glück dabei des Öfteren Nobi begleiten zu dürfen, so dass er mir oft helfen konnte, wenn ich das Dargebotene nicht gleich verstand.
Irgendwann war es dann soweit, dass ich den ersten DAN in Angriff nahm. Bis zum Prüfungstag bei Shihan Ochi gab mir Nobi während der Vorbereitung die ganze Zeit dass Gefühl, dass ich auf der Kippe stehen würde, so dass ich wie ein Besessener trainierte, um Ihm zu zeigen, dass er sich irrt. Ich war richtig böse auf Ihn, weil er ständig etwas an meinen Techniken auszusetzen hatte. Beim Prüfungslehrgang und der Prüfung gab ich alles und stand anschließen in der bangen Erwartung da, ob ich es wohl gerade so noch geschafft haben würde oder nicht. Als schließlich Shihan Ochi beim Überreichen der Urkunden nur bei mir von sich gab „ Sehr gute Prüfung!“, konnte ich es zunächst gar nicht glauben, war ich doch der Prüfling „Auf der Kippe“?! Hinterher ist mir klar geworden, dass Nobi einfach wusste, wie er aus mir dass Maximale herausholen konnte und ich bin Ihm auch heute noch unendlich dankbar dafür, dass ich diese Erfahrung machen dürfte.