Dieser Text stammt, mit kleinen Veränderungen, aus dem Buch Kodokan
vom Dieter Born Verlag www.dieter-born.de
Herr Born war so freundlich uns sein Einverständnis mitzuteilen.
Lernen am Beispiel des freien Übens
Randori – (Freikampf - Jiyu Kumite)
Ein wichtiger Aspekt in der Entwicklung des Körpers und des Geistes ist das Training von Angriff und Verteidigung in der Form des Randori. Randori bedeutet soviel wie freies Üben. Neben den festgelegten Bewegungen des Angriffs und der Verteidigung (Kata) wird zusätzlich Randori praktiziert, was neben den Schlägen und Tritten auch Greif - Hebel – und Wurftechniken beinhaltet. Die Partner finden sich paarweise zusammen und wetteifern miteinander so, wie sie es in einem Wettkampf tun würden, nur dass sie zusätzlich den Partner werfen, festhalten oder würgen und Hebeltechniken ansetzen können, eben so, wie es einem richtigen Kampf angemessen ist.
Die wichtigsten Bestandteile beim Randori sind, dass die Übenden darauf achten, sich gegenseitig nicht zu verletzen und die Dojo –Etikette einzuhalten. Beides ist obligatorisch, wenn man den größten Nutzen aus dem Randori ziehen möchte.
Randori kann entweder als Training der Angriffs -und Verteidigungsmethoden oder als Körper -und Geist Erziehung praktiziert werden. In beiden Fällen werden alle Bewegungen im Einklang mit dem Prinzip der größtmöglichen Effektivität gemacht. Wenn die Zielsetzung im Training bei Angriff und Verteidigung liegt, reicht es aus, sich auf die sachgemäße Ausführung der Technik zu konzentrieren. Darüber hinaus ist Randori ideal für die Körperentwicklung, da alle Teile des Körpers mit eingeschlossen sind und, anders als die Gymnastik, alle Bewegungen zweckgerichtet sind und mit Energie ausgeführt werden. Das Ziel dieses systematischen körperlichen Trainings ist es, die Kontrolle über den Körper und den Geist zu perfektionieren und eine Person darauf vorzubereiten, mit einem Notfall oder Angriff konfrontiert zu werden, sei es durch einen Unfall oder mit Absicht.
Randori ist eine der effektivsten Formen des mentalen Trainings. Beim Randori muss man die Schwächen des Partners suchen und bereit sein, in dem Moment, wo sich die Gelegenheit dazu ergibt, mit allen zur Verfügung stehenden Kräften anzugreifen, bzw. sich zu verteidigen, ohne dabei gegen die Dojo Regeln zu verstoßen. Die Ausübung von Randori macht die Übenden ernsthaft, aufrichtig, gedankenvoll, vorsichtig und bedachtsam in ihren Aktionen. Gleichzeitig lernen sie Dinge schnell abzuschätzen und zu entscheiden um umgehend zu reagieren, da es,sowohl beim Angriff als auch der Verteidigung, im Randori keinen Platz für Unentschlossenheit gibt.
Im Randori kann man sich nie sicher sein, welche Technik der Gegner als nächstes ansetzt, so dass man ständig auf der Hut sein muss. Es geht einem in Fleisch und Blut über wachsam zu sein. Man eignet sich sicheres Auftreten an, jenes Selbstvertrauen, das aus dem Wissen kommt, mit jeder Eventualität fertig zu werden zu können. Die Fähigkeiten zur Beobachtung und Aufmerksamkeit, zur Vorstellung, zur Abwägung und Beurteilung werden natürlich erhöht. Und dies alles sind nützliche Eigenschaften sowohl im täglichen Leben als auch im Dojo.
Randori zu betreiben bedeutet, die komplexen mentalen und physischen Beziehungen, die zwischen den miteinander Kämpfenden bestehen, zu untersuchen. Hunderte wertvoller Lektionen können von diesem Studium abgeleitet werden. Im Randori lernen wir, das Prinzip der größtmöglichen Effektivität sogar dann anzuwenden, wenn wir einem Gegner kräftemäßig überlegen sind. Denn in der Tat ist es viel eindrucksvoller, einen Gegner mit einer sauberen Technik zu schlagen als mit bloßer Kraft. Diese Lektion ist gleichermaßen im täglichen Leben anwendbar: Die Trainierenden realisieren, dass es effektiver ist, jemanden durch stichhaltige Argumente von etwas zu überzeugen als jemanden zu etwas zu zwingen.
Eine andere Lehre, die wir aus dem Randori ziehen können ist es, immer genau die richtige Menge an Kraft aufzuwenden, nie zu viel, aber auch nie zu wenig. Wir alle kennen Personen, die es nicht geschafft haben, genau das zu erreichen, was sie sich vorgenommen hatten, weil sie den erforderlichen Aufwand dafür nicht korrekt eingeschätzt hatten. In dem einen Extrem bleiben sie weit hinter dem Ziel zurück, in dem anderen Extrem wissen sie nicht, wann sie aufhören müssen.