Der Kaffee am Morgen, die Kollegen auf Arbeit, Freunde und Familie, die zu uns stehen. Die Möglichkeit zur Schule zu gehen, zu arbeiten und zum Training zu kommen. Das ganz normale Leben. So ist es für viele selbstverständlich. Aber warum? Weil es uns zusteht? Weil es schon immer so war? Wenn man länger darüber nachdenkt, stellt man fest, dass sehr viel passieren muss, damit all diese Selbstverständlichkeiten möglich sind. Und damit stellt man auch fest, wie wertvoll und eigentlich überhaupt nicht selbstverständlich sie sind. Um das Bewusstsein dafür (und nicht nur dafür) zu stärken, spielen Begrüßungsformen und der Beginn eines Trainings eine wichtige Rolle. Wir starten mit dem Betreten des Dojos:
Beim Betreten der Halle verbeugt man sich und sagt: Shitsurei Shimasu. Es ist eine übliche Form in Japan nicht nur für das Dojo, sondern auch für sonstige Räume in denen unter Umständen jemand gestört werden könnte. Man entschuldigt sich im Voraus: „Entschuldigung, ich werde stören.“
Beim Verlassen der Halle sagen wir dann: Shitsurei Shimashita. Die dazugehörige Vergangenheitsform „Entschuldigung, dass ich gestört habe.“ So stolpert man nicht einfach in den Raum, sondern hat hier die erste Schule der Achtsamkeit.
Bevor das Training losgeht wird eine kurze Sitzmeditation durchgeführt. Alles Vergangene hinter sich lassen und im Hier und Jetzt ankommen. Jeder Frust, jede Freude und jeder Gedanken über Geschehnisse, kann losgelassen werden. Wir bereiten wir uns auf ein schönes, gemeinsames Üben vor. Schon hier können Verletzungsrisiken im Training gemindert werden.
Begrüßungen nach der Sitzmeditation:
Shomen ni Rei: Verbeugung zur Shomen Seite. Aus Demut zu denen, dank derer das Wissen an uns weiter gegeben werden kann. Ebenso gilt die Bedeutung, dass es immer jemand Höheres gibt, der über einem selbst steht. Shomen bedeutet übersetzt „Vorderseite“. Traditionell gilt dieser Teil eines Dojos als Ehrenplatz, wo zum Beispiel Bilder von bereits verstorbenen Lehrern oder die geltende Etikette im Dojo zu finden ist.
Sensei ni Rei: Verbeugung zum Lehrer, der sich Zeit nimmt das Wissen an die Schüler weiter zu geben und sie zu unterrichten. Es ist eine Sache des Vertrauens, dass die Schüler dieses Wissen mit Dankbarkeit und Behutsamkeit aufnehmen. Ebenso gilt die Wertschätzung darüber, dass hinter diesem Wissen viel Arbeit und Erfahrung steckt. Obwohl es der Gruß zum Lehrer ist, verbeugt auch dieser sich vor den Schülern. Man lernt immer voneinander.
Otagai ni Rei: Die Schüler verbeugen sich zueinander. Es ist einfach: Ohne Partner ist ein Partnertraining nicht möglich. Aber das ist nicht alles. Auch der Zusammenhalt der Dojogemeinschaft rückt hier in den Vordergrund. Man lernt sich an guten und an schlechten Tagen kennen und ist füreinander da. Es ist okay, Mensch zu sein. Wir lernen gemeinsam damit umzugehen. Nicht zuletzt gilt hier noch der Dank an alle anderen Menschen in unserem Leben, die uns dabei unterstützen im Training sein zu können.
Bei den Verbeugungen zu den jeweils genannten Seiten (Shomen, Sensei, Otagai) wird sich angegrüßt und nach dem Training wieder abgegrüßt. Beim Angrüßen sagen wir: Onegai shimasu. Man wünscht sich füreinander gutes Training. Beim Abgrüßen sagen wir dann: Arigatou gozaimashita. Man dankt für das gemeinsame Üben und voneinander Lernen.
Dabei ist es wichtig, dass man diese Formen nicht in sich hinein nuschelt, sondern in einem angemessenen Ton deutlich ausspricht. Wenn ich meinem Gegenüber „Danke“ und „Bitte“ sage, dann natürlich auch so, dass dieser es versteht.
Das An- und Abgrüßen dieser Art soll nicht nur Respekt, Demut und Höflichkeit fördern. Auch die Achtsamkeit und Wertschätzung darüber, was uns die Möglichkeit zum Training gibt, soll hier beachtet werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit im Leben das tun zu können, was man möchte. Es ist immer ein Miteinander und ein Zusammenspiel verschiedener Augenblicke und Wege, die bereits hinter dem liegen, was wir letzten Endes tun.