Einmal Karate und wieder zurück!

Als ich 1988, im zarten alter von gerade gewordenen 15 Jahren, meine Karatelaufbahn begann, hatte ich mir zwar gewünscht soweit zu kommen wie ich es heute bin, daran wirklich geglaubt habe ich aber irgendwie nicht! Meine Laufbahn begann jedenfalls fremd motiviert durch meinen Vater. Wie kam er nur dazu, dass einer seiner Söhne so was machen sollte? Mein Vater schaute hin und wieder einschlägige Genre-filme mit äußerst akrobatischen Jung- und Altchinesen in den Hauptrollen. Dazu war er von dem Gedanken fasziniert sich in brenzligen Situationen wehren zu können. Wie fast jeder Vater meinte auch er, Dinge die Kindern machen zu lassen, die man selber nicht erreicht hat bzw. es im eigenen Leben verpasst hat zu tun! Am hiesigen Beispiel sollte die Kritik jedoch nicht sonderlich groß ausfallen. Wie es der dumme Zufall so wollte ergab es sich, dass von einem damaligen guten Freund der Bruder Karate bei Nobi im Budokan betrieb. Er hatte einen violetten Gürtel, was für mich damals so unfassbar gut war. Mein Freund und ich begannen also unsere sportliche Zeit zusammen. Wir sahen uns besagte Genre-filme an und begannen im (Vorsicht Klischee) Hinterhof ebensolche hoch sportliche Figuren hinzubekommen. Wir hielten uns für echt gut. Später haben wir uns bei Nobi im Training wiedergefunden. Mein Freund schied allerdings recht bald wieder aus. Als er weg war, hatte ich am Anfang viel mühe mich zum Training zu schleppen, weil so alleine macht es ja nur halb soviel Spaß. Trotzdem blieb ich am Ball bzw. am oizuki. Ich legte relativ zügig die Prüfungen ab und war irgendwann da, wo der Bruder meines Freundes sich damals befand. Unfassbar! In der Zwischenzeit absolvierte ich ein paar Turniere, mehr oder minder halb erfolgreich. Erfolgreich trinke ich allerdings keinen Raki mehr, da nach einem guten Turnier ich und drei weitere skrupellose Gangster ein Auto aus einer Parklücke gehoben haben sollen. Einfach so und vor den Augen der verwirrten Gasthausbesitzer und irritierten Passanten. Im Herbstmonat Oktober des Jahres 91 legte ich die Prüfung zum 3. Kyu ab. Alter, Braun, Alter! Stolz, selbstsicher, arrogant und irgendwie auch geil habe ich mich gefühlt. Nur noch zwei Prüfungen bis zum schwarzen. Doch es sollte anders kommen. .break Inspiriert von Flusen und sonstigen Dingen im Kopf, geriet mein Karate immer mehr in die defensive. Ich widmete mich eher der Musik. War auf Konzerten und Festivals. Lernte Stimmbildung und gründete eine Band. Eins der Positiven Dingen in der Zeit war es, dass ich mal fast Geld mit Musik verdient hätte. Das Negative ist, dass die Zeit bis heute seine Spuren spürbar hält. Irgendwann im Jahre 98, bin ich plötzlich wieder beim Training erschienen. Ich weiß noch, dass es ein Mittwoch war. Nobi stellte mich vor. Erstaunlich viele bekannte Gesichter, aber auch sehr viele neue. Ich merkte wie sich Nobis Karate verändert hatte. Bemerkt hatte ich es zuerst an der Stimmung. Nicht das es früher schlecht war, es war halt nur anders, positiver, respektvoller, keine „ich bin besser“ oder „du wicht, dich mach ich fertig“ Mentalität. Insgesamt gastierte ich ca. eineinhalb Jahre beim Training und das konsequent unregelmäßig. Mein Interesse galt offensichtlich anderen Dingen. Ich war nicht wirklich bei der Sache. Musikalisch wurden wir intensiver, besser und erfolgreicher. Die meiste Zeit probten und feierten wir, erweiterten unser Bewusstsein mit Mitteln die es nicht in der Apotheke gab und feilten dabei fortwährend an unserer Karriere. Im Nachhinein weiß ich, dass ich mental noch nicht bereit genug bzw. nicht wieder genug bereit für intensives Karate war. Ich blieb also ein zweites Mal fern. Diesmal lange. Fast zehn Jahre sollten ins Land gehen, bevor ich endlich, endlich ein Herz gefasst habe um meinen Vertrag zu kündigen. Richtig, ich war die ganze Zeit Mitglied geblieben. Ich wollte mir immer ein kleines Hintertürchen zum Karate offen halten. Ich log mir vor, dass ich irgendwann wieder hingehen werde. Den Weg weitergehen. Die Geschichten zum Karate von früher wurden hin und wieder toll verpackt und immer anders großartig erzählt. Es hatte mich aber immer gestört in der Vergangenheit zu sprechen. Nichts ist überflüssiger als sich von einem mehr als 34er BMI` ler erzählen zu lassen, was er früher nicht für ein sportlicher Prügelheld war! Doch was war passiert? Warum jetzt doch aussteigen? Die Tür zumachen? Abgefunden nicht mehr Karate machen zu wollen? Ein Star bin ich nie geworden, jedenfalls nicht für andere. Die Allüren besitze ich zum Teil dafür heute noch. Nein, es war eine Frau. Wie immer! Die liebe meines Lebens. Sie trat so heftig in mein Leben, dass ich mit einigen Dingen von früher brechen musste. Sie heißt Luna und ist jetzt Zweieinviertel. Nobi rief mich nach Erhalt der Kündigung an. Wir haben sehr lange miteinander gesprochen. Nett! Er erzählte mir, dass sich sein Karate nochmals geändert habe. Die Gestaltung des Trainings sei nicht mehr so wie früher. Er riet mir, es sich noch einmal anzuschauen. Wenn es nichts mehr für mich ist, dann ist das dann eben so. Ich bin über dieses Telefonat noch heute sehr dankbar. Es war der Fingertipp den ich gebraucht hatte. Nach Tagelangen hin und her bewegte ich meinen 34´er Hintern nach zehn Jahren im Feb. 2008 zum Training. Alles hatte sich verändert. Nobi hatte Recht. Die Atmosphäre war einfach toll. Der Respekt war da. Es gab keine Konkurrenz. Ich bin warm und wohl aufgenommen worden. Fühlte mich sehr bald dazugehörig. Nach meinem ersten Kumite mit Burki, der sagte ich hätte noch den Blick und das Feuer der alten Nobischule, bin ich wohl richtig angekommen. Solche Aussagen schmeichelten natürlich einem Bühnennarzissten wie mir. Ich fand das neue/andere Karate toll und interessant. Erstaunlich war, wie sehr meine alten Muster von früher noch bestand hatten. In den nächsten zwei Jahren war ich damit beschäftigt klarzukriegen, warum ich jetzt im Gegensatz zu früher Kontinuität, Ehrgeiz und Bereitschaft zeigen konnte. Es waren nicht die Umstände von früher die mich damals schluderig werden ließen, sondern lediglich meine ganz eigene Einstellung. Ich war nicht bereit! Das ist alles. Ganz anders heute. Heute ist meine Einstellung eine ganz andere. Ich habe mich verändert. Ich war bereit diese Tugenden zu leisten. Klingt irgendwie abgedroschen, aber ich fürchte so ist es. .break Nach 22 ein halb Jahren war es dann soweit. Am 12.12.2010 erhielt ich den 1. Dan. Oberflächlich schien ich cool und besonnen. Innerlich war das anders. Es schien früher soweit weg, so unerreichbar. Als es soweit war, war es dieses Gefühl, dieses eine wofür man keine Worte findet. Evtl. eins etwas geschafft zu haben. Ein weiteres war auf jeden Fall Stolz. Ich bin Stolz auf den Weg, den ich gegangen bin. Stolz auf mich, bis hierher gekommen zu sein. Stolz auf das wecken des Geistes der Bemühungen und stolz auf das seinlassen der übertriebenen Leidenschaft von früher.

Karate ist eine Lebenseinstellung. Rein an Zeit gemessen, begleitet mich Karate schon mehr als die Hälfte meines Lebens. Dabei ist mir erst seit kurzem klar geworden, dass Karate ein Lebenswerk ist. Mit dem 1. Dan bin ich quasi resetet für neue und alte Inhalte, aber auf einer anderen Ebene! Ich wünsche mir selber, dass diese Einstellung noch sehr viele Jahre so bestehen bleibt.

Danke
Maik Pritschke