Gruß aus Frankreich

Im Herbst 2012 suchte ich nach einer sportlichen Betätigung für den Winter. Da erinnerte ich mich daran, dass ich als Kind immer Karate lernen wollte. Also begann ich meine Suche im Internet und stieß auf das Zentral Dojo in Braunschweig. Es hörte sich gut an.
 Kurzentschlossen griff ich zum Telefon und hatte das Glück, dass Nobi meinen Anruf entgegennimmt. Er hat mich ermutigt, noch am selben Abend zum Training zu kommen, gabt mir die Uhrzeit und den Ort durch und sagte: „Kommen Sie einfach.“
 
Von diesem Tag an habe ich mit Begeisterung im Zentral Dojo trainiert und bis 2016 meinen 3. Kyu erreicht. Die Zeit bei euch war für mich nicht nur sportlich, sondern auch persönlich sehr bereichernd. Der Zusammenhalt, die Disziplin und die geteilte Freude am Karate, die ich bei euch erleben durfte, haben mich tief geprägt.

Mit meinem Umzug nach Frankreich musste ich leider auch das Dojo und die vertraute Karate-Kultur wechseln. Nun trainiere ich im Dojo Massena in Lyon, das der französischen Karate Föderation angegliedert ist. Der Karate-Stil in Frankreich ist stark von ehemaligen Schülern wie Plee und Kaze geprägt. Die Franzosen sind bekanntlich nicht so diszipliniert wie die Deutschen, dafür jedoch umso kreativer.

Die Herangehensweise ist hier etwas anders als im Zentral Dojo und war für mich gewöhnungsbedürftig. Zum Beispiel:

Anstelle von festen Abläufen dienen Kihon hier eher pädagogische Ziele (Bewegungen, Gewichtstransfer, Schnelligkeit, Explosivität, Stabilität…), die immer verbessert werden können. Sie sind nicht festgelegt und unabhängig von der Erfahrung des Schülers, mehr flexibel an dem jeweiligen Ziel orientiert.

Bei den Katas, die Abläufe sind nicht so stark normiert, da jede Kata sich von Sensei zu Sensei unterscheidet, und es gibt viele Dojos in der französischen Föderation. Der Fokus liegt mehr auf der korrekten Ausführung der einzelnen Techniken in der Kata. Die anderen Kriterien sind identisch (Rhythmus, Atmung, Stabilität, Embusen, Explosivität…). Es werden auch weniger Katas verlangt (kein Ten no Kata, kein Heian Ojo, kein Taikyoku z.B.).

Bei den Bunkai stehen die eigenen Entwicklungen im Vordergrund und sollen sich auf die eigenen Stärken stützen. Selten wird ein Bunkai vom Sensei gelehrt.

Auch wenn ich einige Sachen, die ich in Braunschweig gelernt habe, nicht mehr so gut kann (einige Katas z.B.), hat mir die Herangehensweise des Zentral Dojos sehr viel Gründlichkeit gebracht.

Die Arbeit an verschiedenen Standorten, die COVID-Zeit… haben mich jahrelang vom Training meist ferngehalten. Nach 7 Jahren finde ich nun wieder Zeit, mit großer Freude regelmäßig zu trainieren.

Auch wenn ich sehr zufrieden mit dem Dojo Massena in Lyon bin und viele Freunde dort gewonnen habe, vermisse ich auch das Zentral Dojo Braunschweig. Hier habe ich die Grundlagen gelernt. Hier ist meine Heimat.

Nach einem Mailaustausch mit Nobi vor ein paar Wochen habe ich mich endlich bewegt, die 1. Dan-Prüfung bei der französischen Karate Föderation am 1. Juni 2024 abgelegt und mit "Auszeichnung" bestanden. Deutsche Disziplin und französische Kreativität? Wer weiß. In jedem Fall haben das Zentral Dojo Braunschweig, Nobi, die Sempais und alle, die mit mir damals trainiert haben, einen wesentlichen Beitrag geleistet. Nicht nur hinsichtlich meiner Fähigkeiten, die ich in Lyon weiterentwickelt könnte, sondern vor allem bei meiner Begeisterung für das Training mit Menschen, die so offen, hilfsbereit und wohlwollend sind.

Ich möchte mich bei euch allen dafür bedanken.

Liebe Grüße aus Lyon,

Igor